Ich stehe in einem Friedhof aus Tagebüchern, zu viele Erinnerungen, die jetzt nicht relevant sind und die eine, nach der ich suche ist in ihnen versteckt oder auch nicht. Ich bin kein Fan davon in alten Tagebüchern zu lesen und trotzdem besitze ich sie und schmeiße keines von ihnen weg. Ich schreibe, aus Angst, die Dinge zu vergessen, die ich dann sowieso nicht in ihnen nachlesen werde. Ich überlege, in welchem der bunten Tagebücher ich über meine damalige Freundin geschrieben haben könnte, deren Name mir gerade nicht einfällt. Ich hatte sicherlich über die gemeinsame Zeit geschrieben. Die Kiste mit den Büchern überfordert mich und ich finde mich mit dem Gedanken ab, dass der Name für den Moment vergessen bleibt.
Ich habe mein Handy zu Hause vergessen, also renne ich zurück. Ich hole es nicht, weil ich erreichbar sein will sondern aus Angst einen wichtigen Moment meiner Kinder zu verpassen. Jeder Moment, der mich zum Lachen bringt und mein Herz vor Freude hüpfen lässt, soll in Fotos festgehalten werden. Als wären Erlebnisse nur echt, wenn es Beweisfotos von ihnen gibt. Aber ehrlich gesagt fällt es mir schwer, mich an Situationen zu erinnern, von denen es keine Fotos gibt.
Ich versuche das gesamte Jahr 2024 in einem Fotokalender abzubilden. Jeden Monat gehe ich durch und filtere die besten Familienmomente heraus, um sie dann für die Großeltern in einem Fotokalender zusammen zu stellen. Ich schaue mir die Fotos von Januar, Februar, März usw. an. Obwohl ich genau weiß, wie gestresst ich mich in einigen dieser Momente fühlte, überkommt mich heute ein warmes und wohliges Gefühl, wenn ich mir die Fotos anschaue. Von dem Stress ist nichts mehr zu spüren. Ständig muss ich lachen, während ich mir die Fotos mit meinen Kindern anschaue. Meine Erinnerungen spielen mir einen Streich, indem sie das vergangene Jahr schöner darstellen, als es vielleicht wirklich gewesen ist.
Tagebücher hingegen haben auf mich den gegenteiligen Effekt. Ich schreibe, wenn mir alles zu viel wird, ich traurig und wütend bin. Das Lesen meiner Tagebücher erspare ich mir lieber.
Am Ende jeden Jahres fühle ich mich gezwungen das alte Jahr Revue passieren zu lassen. Es fällt mir schwer mich dabei auf meine Erinnerungen zu verlassen. Erlebnisse, die mir vor Monaten noch wichtig waren, sind es jetzt nicht mehr. Gewohnheiten, auf die ich im Februar noch stolz war, bringen mich jetzt zum lachen. Die Tiefpunkte meines Jahres könnten genauso gut Höhepunkte darstellen, je nachdem von welcher Seite ich die Situation betrachte. Jede Situation bekommt eine neue Bedeutung, nachdem sie vorbei ist.
Ich schaue mir meine Tagebuch Kollektion an, die ich seitdem ich schreiben kann, angesammelt habe. Auch ihnen traue ich nicht. Vielleicht ist das ein weiterer Grund dafür, dass ich sie nicht lesen mag. Jedes Erlebnis von damals fühlt sich heute anders an. Mein früheres Ich und mein jetziges Ich sind nicht mehr der selben Meinung und das weiß ich auch ohne in meinen Tagebüchern lesen zu müssen.
Eine Kiste ist zu klein für all die Erinnerungen. Ich quetsche den Rest an Tagebüchern in eine zweite Kiste, wohlwissend, dass auch mein nächstes Tagebuch schon bald Platz in dieser Kiste braucht, die jetzt schon viel zu voll ist.
Ich schaue mich um, wo soll ich das alles platzieren? Wieviel Stauraum gebe ich frei für diese Erinnerungen. Ich will sie nicht hier haben aber trennen kann ich mich auch nicht von ihnen.
Ich war schon immer gut im Festhalten von Informationen und Gefühlen aber noch nie gut im Loslassen. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich am Ende eines Jahres nicht gerne reflektiere.
Ich will nicht loslassen.
Ich halte noch fest, an dem was war und an dem wer ich war und vor allem an dem, was hätte sein können.
Caro.
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Hier findest du mehr Infos zu den Postkarten. So könnte das dann aussehen. Warum ausgerechnet Schlangen und Pilze perfekt für den Start in ein neues Jahr sind erfährst du auch hier.



