Mood Letter No. 3
Ich kann mich heute nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern aber ich erinnere mich an das Gefühl, dass die Worte damals in mir auslösten. Eine Kommilitonin aus meinem Bachelor Studiengang sagte mir damals, dass ich zu viele Studierende kannte und ich mich sowieso mit allen gut verstand. Die Art, wie sie es sagte, ließ nicht daran zweifeln, dass sie mich dafür stark kritisierte.
Ich wusste sofort, was sie meinte.
Es fiel mir leicht von zu Hause weg zu ziehen, in einer neuen Stadt anzukommen und mich mit neuen Menschen anzufreunden. Ich kann mich meinen Mitmenschen und meiner Umgebung leicht anpassen. Ich übernehme sogar gerne die selben Interessen, Vorlieben und Hobbys der Menschen in meinem Umfeld. Vielleicht gleiche ich tatsächlich einem Chamäleon. Je nachdem mit wem ich unterwegs bin, übernehme ich gerne deren Verhaltensweisen oder Interessen. Ich mache das nicht, um dazu zu gehören oder jemandem nachzueifern, sondern weil ich mich selbst besser kennenlernen will. Ich brauche andere Menschen, Persönlichkeiten und Rollen, um unterschiedliche Seiten an mir selbst ausprobieren zu können. Bisher kam mir meine Vielfältigkeit und Anpassungsfreude nie als Schwäche oder unauthentisch vor, doch nach dem Kommentar meiner Kommilitonin sah ich mich in einem anderen Licht. Es hatte mir immer Spaß gemacht, Menschen zu studieren und bestimmte Verhalten oder Interessen zu übernehmen und für mich selbst auszuprobieren doch jetzt schämte ich mich dafür.
Hatte meine Kommilitonin wirklich recht?
Hatte ich keine eigene Persönlichkeit?
Ich wechselte auf Knopfdruck zwischen verschiedenen Versionen von mir selbst. Mein gesamtes Studium war ein Ausprobieren und Erfahren von unterschiedlichen Persönlichkeiten und ich war das Versuchsobjekt. Abhängig von der Stadt in der ich lebte, von den Menschen, die mich umgaben und den Projekten, die ich begleitete, schlüpfte ich in unterschiedliche Rollen und ich liebte es.
Nicht nur eine Person sein zu müssen gab mir das Gefühl von Freiheit.
Dennoch ließ mich das mulmige Gefühl nicht los, nicht echt zu sein.
Seit drei Wochen bin ich mit mindestens einem Kind zu Hause. Nachdem wir fast den gesamten Winter gesund geblieben sind, traf uns der Frühling besonders hart. Am Anfang war ich positiv gestimmt, versuchte alle Aufgaben und Rollen, die ich neben meinem Muttersein hatte, weiterhin zu pflegen aber umso länger die Kinder zu Hause waren und umso schlechter es ihnen ging umso mehr verlor ich mich in meinem Muttersein und eine innere Wut brodelte in mir auf.
Ich dachte es liegt daran, dass ich wieder einmal mein Handeln und mein Dasein als Mutter in Frage stellte. Ich fütterte meine Gedanken und Gefühle mit Elternpodcasts und Elternworkshops und verarbeitete wieder einmal meine Vorurteile gegenüber Müttern und Frauen.
Doch die Wut blieb.
Erst als sich die Kinder langsam erholten und ich mir Raum und Zeit nahm, um meine anderen Rollen auszuleben wie beispielsweise die, der Selbstständigen, der Künstlerin oder der Partnerin, löste sich die Wut langsam auf.
Da wurde mir wieder bewusst, wie wütend ich werden kann, wenn ich mich zu sehr in nur eine Rolle gedrängt fühle und wie wichtig es für mich ist verschiedene Persönlichkeiten in mir nicht nur kennenzulernen sondern auch auszuprobieren und zu erleben.
Vielleicht scheint das für andere unauthentisch, doch für mich ist genau das absolute Freiheit, nicht immer nur die eine Person sein zu müssen sondern viele sein zu dürfen.
Ich bin:
Mutter
Autorin
Künstlerin
Partnerin
die Ernste
die Lustige
Overthinker
Perfektionistin
unperfekt
spirituell
realistisch
feminin
maskulin
und vieles mehr.
Ich bin immer anders, wie ein Chamäleon.
Ich bin gut so wie ich bin.
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x Caro
Interessante Sichtweise. So habe ich das noch nie gesehen. Mache mich eher immer fertig, wenn ich wieder merke, dass ich mich nur anpasse😁 Aber ja unsere vermeintlichen Schwächen sind auch oftmals unsere Stärken😊