Immer wieder versuchen wir das Thema drittes Kind zu besprechen und uns fehlen die Worte. Weder mein Freund sagt etwas noch ich. Gemeinsam starren wir auf die runter brennende Kerze und hängen unseren eigenen Gedanken nach. Wir haben uns beide immer mit drei Kindern gesehen aber schon mit zwei Kindern nagen wir bereits an unseren Kraftreserven. Wir fühlen uns überfordert, zweifeln an unserer Erziehung, weinen aus Überforderung, schimpfen und streiten ohne Grund.
Seit Jahren heben wir alle Babysachen auf. Wir haben nichts weggeschmissen oder weggegeben, nichts verkauft und horten alles in unserer viel zu kleinen Wohnung, obwohl wir doch eigentlich zu viert komplett sind.
Das einzige Gespräch, dass wir führen ist, wie passen wir zu fünft in unser Auto. Egal mit wem ich über das Thema drittes Kind spreche, das zu kleine Auto ist das Nummer Eins Contra-Argument.
In meinem nahen Umfeld kenne ich keine Familie mit drei Kindern, nur eine neue Bekannte hat drei Kinder und die haben kein Auto. Ich frage mich, ob sie deswegen drei Kinder hat, weil die Autofrage nie beantwortet werden musste.
Du könntest dich in die Mitte zwischen die Kinder quetschen, sagt mein Freund. Als wäre das eine Lösung mit der wir leben könnten. Ich nicke, obwohl wir beide wissen, dass das keine dauerhafte Lösung und das Auto erst recht nicht das Problem ist.
Die Kerze ist fast runter gebrannt. Heute haben wir uns fest vorgenommen miteinander zu sprechen. Doch außer der Autofrage, wissen wir nicht, worüber wir genau sprechen sollten.
Ich versuche mich an die Gespräche von früher zu erinnern. Schließlich haben wir schon zwei Kinder. Wie haben wir uns für diese Kinder entschieden? Unser erstes Kind war ein glücklicher Zufall, da redeten wir erst danach, bzw. schwiegen uns danach an. Und das zweite Kind war das zweite Kind. Was soll ich dazu sagen? Wir sind zu zweit und die Kinder sind zu zweit. Das war eine ganz logische Entscheidung. Da gab es nur Gespräche rund um den Zeitpunkt aber nie um die generelle Frage nach einem weiteren Kind.
Mehrere Abende sitzen wir vor der runter brennenden Kerze und schweigen uns an. Den Blick konzentriert auf die Kerze gerichtet, herzklopfend, ängstlich und unsicher. Wir haben alles gesagt, gefühlt, gedacht und trotzdem wissen wir nichts.
Wir sind immer noch nicht an diesem Punkt im Leben angekommen, auf den alle irgendwie immer zu warten scheinen. Dieser eine Punkt, an dem es "erlaubt" ist Kinder zu bekommen. Dieser eine Punkt, an dem man seine Berufung und Erfüllung gefunden hat, das Haus gebaut hat, die Karriereleiter hoch geklettert ist und die Kinder einem nicht mehr "im Weg" stehen können. Wir stolpern mit zwei Kindern durchs Leben und suchen immer noch.
Wonach nochmal genau?
Mein Kopf raucht. Zu viele Fragen, Fragen auf die wir niemals eine Antworte erhalten werden und trotzdem rattern wir sie in Dauerschleifen runter.
Die Kerze brennt. Wir schweigen. Denn wir beide wissen, dass das keine Entscheidung ist über die man reden kann, für die man Argumente suchen kann, es ist keine Entscheidung, die unser Auto treffen wird.
Aber wie entscheidet man sich für oder gegen ein Kind? Es ist keine Entscheidung, bei der wir mit Pro und Contra Listen nebeneinander sitzen. Es ist keine Entscheidung, die wir leichtfertig treffen und schauen, was passiert. Es ist keine Entscheidung, die klarer wird, wenn wir nur lange genug warten. Es ist auch keine Entscheidung, von der man, ist sie einmal getroffen, sagen kann, dass sie “gut” oder “schlecht” war. Selbst jetzt kann ich nicht in Worte fassen, wie eine Entscheidung für oder gegen ein Kind abläuft.
Vielleicht war es der Hunger nach Abenteuer, den wir beide teilten, der letztendlich für uns entschied.
Vielleicht war es auch etwas anderes, ein Gefühl, ein inneres Wissen, ein Wunsch oder die Neugierde.
Vielleicht war es das Argument, dass ich zwischen zwei Kindersitze auf die Rückbank passe und wir somit auch zu fünft in unser Auto passen würden.
Vielleicht war es auch mein Frauenarzt, der uns seit dem ersten Kind prophezeite, dass wir drei Kinder bekommen werden.
Vielleicht war es der Gedanke daran, etwas total Verrücktes zu wagen.
Vielleicht war es auch gar nichts davon.
Ich kann es dir nicht sagen.
Was ich weiß ist, dass ich diesmal keinen Test brauchte, um sicher zu wissen, dass ich schwanger war. Ich wusste es sofort.
Mein Freund recherchiert mittlerweile im Internet nach Flohmärkten, damit wir den Babykram, Ende diesen Jahres/ Anfang nächsten Jahres endlich verkaufen können.
Denn jetzt sind wir komplett.
Wir sitzen nicht mehr schweigend vor der Kerze, sondern sprechen darüber, wie das Kind heißen soll, was wir alles zu fünft erleben werden und warum so wenig Menschen Turnhallen für ihre Kinder im Keller haben und das fühlt sich verdammt richtig an.
Manchmal schaltet sich trotzdem mein Kopf ein und fragt mich ganz leise:
Bist du verrückt? War das die richtige Entscheidung?
x Caro
Sprichst mir wieder aus dem Herzen haha Ich habe gestern erst gedacht, ich stolpere mit William nur so durchs Leben und irgendwie habt ich nie richtig Zeit, aber dann ist da innerlich der Wunsch nach einem zweiten und ich denke mir, bist du verrückt. Schaffst es nicht mal mit einem und bist manchmal überfordert, kaputt und den Tränen nahe. Aber vielleicht muss man auch erst komplett sein, damit es bergauf geht. Wer weiß🤷🏼♀️ Meine Eltern sind erst erfolgreich durchgestartet nachdem ich auf der Welt war