Wir schauen uns ein Foto an, das vor sechs Jahren geschossen wurde. Es zeigt uns zwei, du hälst unseren ersten Sohn im Arm, der damals knapp ein Jahr alt war. Wir stehen nebeneinander und präsentierten ihn stolz während er in die Kamera grinst. Wir sehen glücklich aus.
“Komisch”, denke ich. Ich sehe so glücklich auf dem Foto aus, obwohl ich genau weiß, dass ich das gar nicht war.
Ich erinnere mich daran, wie sehr ich unter der Elternzeit litt, die abwechselnd aus Überforderung und Langeweile bestand. Zusätzlich saß mir meine Masterarbeit im Nacken. Jede freie Minute verbrachte ich, statt Schlaf nachzuholen, am Rechner. Ich nutze die Zeit am Abend zum Schreiben und rannte alle halbe Stunde ins Schlafzimmer, um das Baby zu stillen. Das Thema meiner Masterarbeit hatte ich bis zum Schluss nicht wirklich verstanden, vielleicht lag es am Schlafmangel oder der Stilldemenz. Trotzdem quälte ich mich Abend für Abend und schrieb die geforderten Seiten, verteidigte die Arbeit und bestand sie sogar.
Auf den Fotos ist von diesem Stress nichts zu sehen.
Die erste Zeit mit Baby war hart. Doch das sah man uns nicht an. Wir reisten durch Asien, ich machte meinen Abschluss und wir lachten so oft in die Kamera, dass ich die schlechten und anstrengenden Tage fast vergessen konnte.
Es gibt sooo viele Fotos von uns zwei. Auf vielen Fotos lagen wir zwei uns in den Armen während das Baby auf deinem oder auf meinem Arm herumzappelte. Wir schauen uns lachend an, umarmen und küssen uns. Wenn ich nicht wüsste, wie schwer es war würde ich mir selbst nicht glauben.
Heute schaffe ich es kaum, ein Foto von allen Kindern zu machen ohne, dass eines sich aus dem Staub macht, geschweige denn ein Foto von uns zu fünft. Wenn ich doch mal ein Foto von mir und den Kindern sehe, verziehe ich den Mund darauf oder habe ihn offen, weil ich gerade etwas sage, ein Kind vor dem anderen beschütze oder ich sehe erschöpft aus, so erschöpft.
Uns zwei zusammen habe ich schon lange nicht mehr auf einem Foto gesehen.
Es ist als hätten sich drei Kinder zwischen uns geschoben. Die Kinder halten uns zusammen aber sie trennen uns auch irgendwie voneinander.
Früher fühlte es sich natürlich an, in deinem Arm zu posieren und das Baby lachend in die Kamera zu halten. Heute fühlt sich das überflüssig an, wie eine Nebensächlichkeit, für die niemand Zeit und Raum schaffen mag.
Wir verhalten uns wie nervöse Teenies, wenn wir zu zweit, ohne die Kids, fotografiert werden. Ein bisschen erinnert mich das an die Zeit ohne Kinder, in der alles neu und aufregend war. Wir lachen beide, nicht weil es lustig ist sondern weil es irgendwie unangenehm ist. Wir nähern uns an, schieben die Kinder zwischen uns zur Seite und schauen uns in die Augen.
Kinder sind eine gute Ausrede, jemanden nicht zu nah an sich ran zu lassen. Sie wurden zu einem Puffer zwischen uns und machen uns das Miteinander manchmal sogar leichter, weil der Fokus auf ihnen liegt und nicht auf mir oder dir. Wir stehen neben der Bühne und nicht mehr auf ihr.
Es braucht Mut eine Person nah an sich ran zu lassen, auch wenn es die eigene Partnerin oder der eigene Partner ist.
Es braucht Mut die Kinder zur Seite zu schieben, damit sie nicht zwischen einem stehen. Es braucht Mut wieder selbst die Bühne zu betreten.
Carolin.