Mood Letter No. 6
Unproduktiv.
Wenn ich das Wort lese zieht sich alles in mir zusammen. Es fühlt sich unangenehm an. Ich bin lieber produktiv.
Letzte Woche hat mich die Schwangerschaft oder ein Magen Darm Virus ans Bett gefesselt. Was genau es war, weiß ich nicht. Mein Bauch tat weh und die Übelkeit verbot es mir aufzustehen. Ich konnte nicht schlafen, nicht arbeiten, weder die Kinder betreuen noch etwas essen. Meine Aufgabe bestand darin, darauf zu warten, dass der Spuk ein Ende hat und mich mit gemeinen Gedanken selbst zu quälen.
Ein Blick in den Flur verriet mir, dass die Wohnung im Chaos unterging. Der kurze Gang in die Küche oder ins Bad bestätigte mir meine Vermutung. Ich ärgerte mich. Zwischen den schmutzigen Gläsern, matschigen Schuhen, vergammelten Essensresten und ausgezogenen Jacken auf dem Boden versuchten wir die Kinder bestmöglich zu betreuen, nicht durchzudrehen und warfen uns Terminabsprachen zu, die ab- oder zugesagt werden mussten, während ich wehleidig vor mich hin jammerte.
Ich fühlte mich schuldig, nutzlos und war wütend auf mich selbst, dass ich so wenig leisten und zum Familien- und Arbeitsleben beitragen konnte.
Heute sitze ich vor meinem Journal und muss schmunzeln. Ich würde gern ein paar Tage zurück reisen, mich selbst umarmen und mir sagen, dass es mir in wenigen Tagen wieder gut gehen wird. Nur wenige Tage war ich ans Bett gefesselt, nur wenige Tage hatte ich mein Arbeitspensum nicht geschafft und die Kinder nicht so betreut, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich war für wenige Tage unproduktiv gewesen und sofort zweifelte ich an meinem Wert, fühlte mich wertlos und nutzlos, weil ich nichts leisten konnte. Teilweise redete ich mir ein, dass meine Übelkeit schlimmer war, als sie eigentlich war, damit ich diese Pause vor mir selbst rechtfertigen konnte.
Woher kommt dieser Drang danach immer leisten zu müssen?
Wieso habe ich ein so schlechtes Verhältnis zu Pausen?
Sind es nicht die Pausen, die unsere Akkus wieder aufladen und uns mit neuen Ideen und neuer Energie versorgen?
Eine Pause erlaube ich mir nur im absoluten Ausnahmezustand. Die Phasen in meinem Leben, in denen ich unproduktiv bin ohne eine echte Ausrede zu haben, bereiten mir die größte Herausforderung.
Das Gefühl, nur etwas wert zu sein, wenn ich genug leiste würde ich gerne von mir abschütteln können, doch es hält sich hartnäckig an mir fest.
x Caro
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